Diese Weihnachtsgeschichte ist eine Weihnachtsgeschichte mit einem Hintergrund,
der
etwas zum Nachdenken anregen soll.
Aber es ist auch eine Weihnachtsgeschichte mit positivem Ausgang - wie sollte es auch
bei einer Weihnachtsgeschichte anders sein? Ach, wenn nur alle Weihnachts- und
auch sonstigen Geschichten aus dem tatsächlichen Leben, ein gutes Ende haben
würden......
Fröhliche
Weihnacht überall!
Eine
etwas andere Weihnachtsgeschichte in fünf Bildern
Es ist wieder einmal 24. Dezember, Weihnachtstag. Überall sind die Menschen fröhlich und glücklich, sie feiern die Geburt Christi, des Erlösers. – – – Christus? Erlöser? Wer ist denn das? Kommt zu Weihnachten nicht Santa Claus? Oder feiern wir nicht Weihnachten, damit wir den Handel ankurbeln, unser Geld leichter wieder ausgeben können? Wer weiß das schon? Sehen wir uns doch einmal um, wie man heute Weihnachten feiert:
Erstes Bild
„Ja, ist gut Mama.“
Er dreht sich um und rennt wild zur Küche hinaus. Dabei stößt er gegen die
auf der Anrichte bereit gestellte Schüssel mit Salat, der später zur
Weihnachtsgans gereicht werden soll. Die Schüssel schwankt bedenklich, überlegt
es sich kurz und fällt doch zu Boden. Dabei zerbricht sie in mehrere Teile, die
dann garniert mit Salat den Küchenboden zieren.
„Winfried!!! Was
machst du da! Mit deinem wilden Gerenne in der Wohnung immer! Und was sollen wir
jetzt zur Gans essen? Ich kann nicht in der kurzen Zeit jetzt noch einen neuen
Salat richten, ich hab ja nicht mal mehr Sachen dafür da! Das werden wieder
einmal schöne Weihnachten!“
Winfried steht neben dem
Schaden, jetzt beginnt er zu weinen. Sein anfängliches leises Wimmern steigert
sich zu einem herzzerreißenden Gebrüll.
Die Mutter stimmt ein
ins Gebrüll: „Jetzt hör auf mit der Flennerei, du bist selber schuld. Wärst
nicht so gerannt, dann hätten wir jetzt noch einen Salat. Jetzt verschwinde
schon in dein Zimmer!“
Einen Moment lang kehrt
trügerische Ruhe ein, dann kann man hören, wie der Bub zornig verschiedene
Dinge durch sein Zimmer schmeißt, weitere Scherben klirren.....
Fröhliche Weihnacht überall.....
Zweites Bild
Der Vater unterbricht
den Gesang. „Kinder, ich versteh euch nicht. Habt ihr noch nicht genug
Spielsachen?“ Und zu Manuel gewendet sagt er: „Bist du sicher, daß für
dich überhaupt etwas dabei ist?“
„Ja, es muß etwas
dabei sein, weil ich hab mir ja das neue Computerspiel in farbe gewünscht! Und
das große, ferngelenkte Auto! Und einen Roboter, der von selber geht und macht,
was ich will!“
Die Mutter sieht den
Vater hilflos an. „Naja, lassen wirs für heuer mit dem Singen. Patty, teilst
du die Päckchen aus?“
„Ja, Mama.“
Die Erwachsenen setzen
sich zum Tisch, Manuel hüpft voller Ungeduld von einem Bein aufs andere. „Ich
will die Pakete austeilen! Ich! Ich! Ich!“
„Du kannst ja noch gar
nicht lesen! Woher willst du wissen, was wem gehört?“
„Ich weiß, was mir
gehört! Ich hab schon gesehen, wo mein Name draufsteht!“
Währenddessen hat Patty
bereits ein Paket geholt und gibt es ihrem größeren Bruder. „Das gehört
dir!“ – „Danke“
Herbert beginnt, das
Papier zu lösen, erst vorsichtig, aber dann wird er ungeduldig und reißt das
schöne Papier mit einem Ruck von der verpackten Schachtel.
„Patty, gib mir meins,
ich will das große dort haben!“ Manuel wird immer ungeduldiger.
Herbert öffnet die
Schachtel. Drin befindet sich ein Computerspiel – das neue, das man in Farbe
spielen kann.
Manuel bemerkt jetzt,
was sein Bruder in den Händen hält.
„Wieso hast du das
Spiel? Das wollte ich haben!!“
„Sei ruhig, du kannst
ja auch damit spielen!“
„Nein, das will ich
nicht. Das wollte ich haben, ich will allein damit spielen. Du lässt mich
sowieso nie damit spielen!“
Vergessen sind die
anderen Pakete, der Bub hat nur Augen für das Spiel, das Herbert jetzt genauer
studiert. Während er die beigelegte Beschreibung zur Hand nimmt, greift Manuel
nach dem Spiel, reißt es ihm weg und schreit völlig außer sich: „Warum
bekommt der da mein Spiel? Das will ich haben, das gehört mir! Gib mir das! Ich
will es sofort haben!“
Patty hält ihm eine
Schachtel hin. „Schau, das gehört dir! Schau mal nach, was du da bekommen
hast!“
„Ich will nicht. Ich
will das Spiel! Das gehört nicht Herbert, das gehört mir! Er soll es auch
nicht haben!!“ Bei diesen Worten schleudert er das Spiel gegen den
Weihnachtsbaum. Die Zweige schwanken hin und her, eine Kerze kommt in die Nähe
von eingepackter Schokolade, das Papier fängt Feuer, und schnell, zu schnell
breiten sich die Flammen aus.
Fröhliche Weihnacht überall.......
Drittes Bild
Der Jüngste, Werner,
schwärmt gerade wieder ganz begeistert von einem den beiden Bücher, die für
ihn unter dem Baum gelegen sind. „Mutti, das Buch über die Pferde ist
wirklich super! Stell dir vor, das kleinste Pferd, das es gibt, ist gerade
einmal so groß wie ein Schäferhund! Das muß man sich einmal vorstellen, ein
Pferd in dieser Größe!“
„Das muß ja ganz entzückend
sein! Würd ich gern einmal in der Natur sehen und streicheln! Reiten kann man
ja sicher nicht drauf!“ meint Johanna, die älteste seiner drei Schwestern.
„Kommt, Kinder, nehmt
euch noch von dem Karpfen, es ist noch soviel da!“
„Danke, Omi, aber ich
bin schon satt, ich kann wirklich nicht mehr essen!“
Die Mutter sagt, mehr zu
sich selbst gewandt: „Na, ich werde mir noch ein Stück nehmen! Der Fisch ist
unserer Weger-Oma heuer wieder einmal ganz gut gelungen!“
„Wär ja auch eine
Schande, als ehemaliger Köchin eines drei-Hauben-Lokales!“ Antwortete die
liebevoll als Weger-Omi bezeichnete Schöpferin des kulinarischen Genusses.
„Wo euer Vater wohl
wieder herumzieht!“ Sinniert jetzt gedankenverloren die Mutter.
Schnell fällt ihr ihr
eigener Vater ins Wort „Ach, erwähn ihn bloß nicht. Wir können nur froh
sein, daß er nicht da ist! Wäre sowieso wieder das ganze Fest versaut!“
„Ach Opi, du hast ja
einerseits recht. Aber andererseits ist er der Vater der Kinder und würde
eigentlich hierher zu uns gehören.“
„Komm, Mama, laß gut
sein. Wir sind alt genug, um zu wissen, was mit ihm los ist.“ Beruhigt Sandra,
die Zweitälteste, ihre Mutter.
Plötzlich läutet es an
der Tür.
„Wer das jetzt noch
sein mag? – Für die Sternsinger ist es ja noch zu früh!“ meldet sich jetzt
auch Opa Weger zu Wort, aber alle blicken irgendwie betreten, ja fast angstvoll
in Richtung der Tür.
„Ich werde einmal
nachsehen, wer draußen ist.“ Die Mutter steht irgendwie schwerfällig vom
Tisch auf.
Erneut läutet es an der
Tür, diesmal länger, und gleich nochmals. Stürmisch folgen mehrere kurze Läutsignale.
„Jaja, ich komm ja
schon! Damit wissen ja wohl alle, wer draußen ist. Bitte bleibt ruhig und laßt
euch nicht provozieren.“
Die letzten Worte hören
die am Tisch sitzenden zwar bereits leiser, weil sich die Mutter schon im
Vorzimmer befindet, aber umso unheilvoller schwebt der Inhalt dieser Sätze im
Raum, nimmt fast Gestalt an. Jäh unterbrochen ist jegliche Unterhaltung, alle
schauen in Panik zur Tür.
Die Mutter findet nicht
sofort den Schlüssel, was erneut heftiges Läuten auslöst. „Jaja, ich bin
schon da. Warte doch, ich muß
den Schlüssel finden!“
„Mach auf, oder willst
du mich nicht hineinlassen?? Aber ich komm auch so hinein!“ Dröhnt es
undeutlich, mit schwerer Zunge gesprochen, von draußen durch die noch immer
geschlossene Tür.
Mittlerweile hat Frau
Weger den Schlüsselbund gefunden. Der Versuch, mit den mittlerweile vor Angst
zittrigen Händen den passenden Schlüssel zu finden und ins Schloß zu stecken
benötigte einige Sekunden. Da erzittert die Tür, von draußen wird heftig
gegen sie geschlagen, es hallt durch das ganze Stiegenhaus.
„Mach endlich auf, du
Schlampe! Sonst werd ich dir zeigen, was passiert, wenn du mich noch länger
warten lässt!“
Endlich kann die verängstigte
Frau den Schlüssel anstecken und drehen, das Schloß wird entriegelt. In diesem
Augenblick drückt, nein schlägt ihr Mann von außen die Klinke hinunter, die Tür
kommt in vollem Schwung auf sie zu. Gerade noch kann sie zur Seite springen, um
nicht vom Türblatt gegen die Wand gedrückt zu werden.
Herein stürmt Herr Weger. Sein Mantel ist vorne ganz schmutzig, offensichtlich hat er sich ein
volles Glas irgendeines Getränkes über den Schoß geleert. Mit blutig
unterlaufenen Augen, wirrem Haar und rot aufgedunsenen Wangen macht er wirklich
keinen vertrauenserweckenden Eindruck. Außerdem ist seine linke Hand notdürftig
verbunden und das Hemd hängt unordentlich aus der Hose.
Er schwankt an seiner völlig
aufgelösten und schockierten Frau vorbei in Richtung Zimmer, wo die Anderen
mittlerweile völlig von Panik ergriffen sind. Die Kinder haben Tränen in den
Augen. Vorbei ist die entspannte und feierliche Weihnachtsstimmung.
„Ach, ihr habt schon
Weihnachten gefeiert?“ Grölt der neu Eingetretene in den Raum.
„Hannes gib Ruh,
beruhige dich! Wir wussten ja nicht, wann oder ob du überhaupt kommst!“
Versucht ihn seine Mutter zu beruhigen. „Setz dich einfach nieder und feiere
mit uns. Möchtest du etwas essen?“
Der Betrunkene macht
noch einen Schritt zum Tisch, greift nach dem weißen, mit Stickereien
verzierten Tischtuch und zieht es mit einem Ruck vom Tisch.
„So, da habt ihr euer
Fest! Ihr braucht kein Fest ohne mich!! Und wenn ich euch seh, vergeht mir
sowieso jedes Essen!“ Laut, fast klar erschallt jetzt seine Stimme, der Ärger
über alles rund um ihn und wahrscheinlich auch über ihn selbst hat ihn
scheinbar ernüchtert. Und die Reste des Essens, Schüsseln, Teller, Gläser,
alles fällt um und zu Boden.
Fröhliche Weihnacht überall.....
Viertes Bild
In diesem Augenblick
kommt der Linienbus um die Ecke gebogen, schwenkt ein zur Haltestelle und öffnet
die Türen. Einige Leute steigen aus. Dann strömen die Wartenden durch die geöffneten
Türen ins Innere des Wagens. Da er bereits einigermaßen gut besetzt war,
dauert es etwas, bis wirklich alle einen Platz gefunden haben. Dann schließt
der Fahrer die Türen und lenkt wieder hinaus in den Verkehrsstrom.
Ein kleineres Mädchen
versucht, um sich zu blicken. Da sie aber nicht über die Köpfe der Erwachsenen
zu sehen vermag, weil sie zu klein ist, bleibt ihr Blick an dem jungen Mann hängen,
der vorher an der Station etwas nervös gewirkt hat. Sie bemerkt, wie er seine
Jacke vorne öffnet. Und sie kann mehrere Pakete erkennen, die er sich um den
Leib gebunden hat. Seine rechte Hand ergreift etwas, das wie ein Taster oder
Schalter aussieht. Schon drückt er kurz auf einen Knopf, der sich dort
befindet. -
Im nächsten Augenblick
werden die Augen des Mädchens durch einen Blitz geblendet, in ihrem letzten
Moment hört sie noch einen lauten Knall. Dann enden ihre Empfindungen. -
Scheiben klirren, Trümmer
fliegen umher, darunter auch Teile von Buspassagieren. Und Blut färbt die
Umgebung rot.
Einen Augenblick später
herrscht für einen kurzen Moment scheinbar vollkommene Stille in der Straße.
Fröhliche Weihnacht überall......
Fünftes Bild
Der arbeits- und
unterstandslose Karl Marhofer schlendert durch die U-Bahnpassage. Manchmal
bleibt er kurz stehen und schaut um sich. Bei jedem Abfallbehälter unterbricht
er seinen Weg, um dessen Inhalt zu untersuchen. Denn viele Leute entsorgen
verschiedene Essensreste, wie zum Beispiel den Rand ihrer Pizza oder nicht
fertig gegessene Kebabs gleich mit der Verpackung, sodaß diese durchaus noch
genießbar sind.
Auch die Rückgabefächer
der angebrachten Automaten untersucht er, denn manchmal findet er dort sogar
vergessenes Rückgeld.
Seit fast acht Jahren
schlägt er sich nun so durchs Leben. Die Nächte verbringt er im Sommer in
einer leerstehenden Bauhütte, die er entdeckt hat. Im Winter allerdings wird es
schwierig, da bleiben ihm nur wenige Schlupfwinkel, in denen er den neuen Tag
erwarten kann. An Schlaf ist dabei nicht viel zu denken.
Den geringen Geldbetrag,
den er von der Sozialhilfe bekommt, verwendet er für einige warme Mahlzeiten,
die er sich aufs Monat verteilt kauft und einige wenige Toiletteartikel für die
nötigsten Bedürfnisse. Wenn er sich etwas ersparen kann, kauft er sich
Bekleidung in einem billigen Second-Hand-Shop. So ist seine Erscheinung trotz
der tristen Gesamtsituation, in der er sich befindet, auffallend gepflegt.
Alkohol trinkt er sehr
selten. Denn er hofft immer noch darauf, wieder in die Gesellschaft zurückkehren
zu können. Und er weiß, daß der Alkohol das absolute Ende bedeutet.
Was ihn nur immer wieder
verwundert und schwer enttäuscht hat, war die Tatsache, daß sich auch seine
zwei Kinder nie mehr bei ihm blicken haben lassen, auch nicht, als sie älter
geworden waren. Das Jugendamt hatte ihm eine Kontaktaufnahme seinerseits bei
Strafandrohung verboten, und nachdem seine ehemalige Frau das dritte Mal den
Wohnsitz gewechselt hatte, verlor er die Familie völlig aus den Augen.
Gerade in diesem
Augenblick hält er vor einem Papiergeschäft an und lässt seinen Blick über
die wunderschön weihnachtlich dekorierte Auslage streifen. Da öffnet sich die
Türe des Ladens und eine Verkäuferin winkt ihn zu sich. Sie hält etwas in der
Hand, die sie ihm hinstreckt. Er greift zu und bedankt sich vielmals. Diese
nette junge Frau hat ihn vor einiger Zeit bemerkt und steckt ihm manchmal ein übriges
Pausenbrot oder etwas Obst zu. Das bringt immer wieder etwas Abwechslung in
seinen dürftigen Speiseplan.
Da er ohnehin bereits
sehr hungrig ist, öffnet er sofort die Folie, in die das Brot gewickelt ist und
beißt genußvoll ein großes Stück ab.
Plötzlich hört er eine
Stimme hinter sich: „Papa?“
Irgendwie kommt es ihm
vor, als sängen alle Engel des Himmels ihr schönstes Lied für ihn. Die Stimme
erinnerte ihn an längst vergangene Zeiten. Mit einer raschen Bewegung versuchte
er, die unmöglichen Gedanken wegzuwischen, -- aber er hörte das Wort nochmals,
diesmal lauter: „Papa?“ Und wieder: „Papa, bist DU es??“
Jetzt wendet er sich
langsam um. Er bemerkt eine wunderschöne Frau mittleren Alters, die hinter ihm
steht. Sie schaut ihm fragend direkt in die Augen.
Mehr zu sich selbst als
zu ihr fragt er: „Meinen Sie mich? Sie müssen sich irren!!“
Die Frau schaut ihm
weiter für einen schier endlosen Moment fest in die Augen. Dann fragt sie
diesmal direkt, mit etwas zittriger Stimme: „Entschuldigung, ich suche Herrn
Karl Marhofer! Kennen Sie ihn?“
„Kennen? – Ich bin
Karl Marhofer – oder war es zumindest einmal. Was wollen sie denn von mir?“
„Also doch, hab ich
dich endlich gefunden, Papa! Du, du bist es wirklich! Papa, Papa, komm zu mir!
Laß dich umarmen!“ Sie nimmt den alten Mann in die Arme, preßt ihn fest an
sich, sie drückt ihm einen Kuß nach dem anderen auf die zerfurchten Wangen, Tränen
rinnen ihr über das Gesicht. Ein oder zwei Passanten bleiben stehen und blicken
teils neugierig, teils etwas verstört auf die Szene der Wiedersehensfreude.
Vater und Tochter stört es nicht. Auch der Vater, der jetzt langsam, ganz
langsam begreift, was hier vor sich geht, bekommt nun feuchte Augen. Leise
beginnt er, seine Überraschung in Worte zu fassen: „Brigitte? Bist du
wirklich meine Brigitte, meine liebe kleine Gitti? Nach so vielen Jahren?“---
Nach einer sehr langen,
sehr festen Umarmung tritt Brigitte einen Schritt zurück und schaut ihrem Vater
wieder in die Augen. Augen, die schon soviel Leid, Bitterkeit und Entbehrungen
gesehen haben. „Papa, wo, bitte, warst du die ganzen Jahre? Und wie kommst du
hierher?“
„Kind, das ist eine
lange Geschichte. Ich will‘s jetzt nur kurz zusammenfassen. Mit der Scheidung
hat alles begonnen, dann ging‘s Schlag auf Schlag weiter. Zuerst suchte ich
eine neue Wohnung. Die hat, obwohl sie nicht groß war, einiges gekostet. Als nächstes
kamen die Forderungen eurer Mutter. Ersparnisse hatte ich nicht viele, die waren
bald aufgebraucht. Und dann passierte noch dieser blöde Unfall, ich lag neun
Wochen im Spital. Ja und weil mich die Firma nicht richtig angemeldet hat,
gab‘s kein Krankengeld. Ich konnte die Miete nicht mehr bezahlen, da war die
Wohnung schnell weg. Und schließlich hat das Jugendamt mich auch noch pfänden
lassen, das war das Ende. Keine Arbeit – keine Wohnung und umgekehrt. Jetzt
lebe ich seit acht Jahren in einer Bauhütte. - Aber sag mir doch, wie hast du
mich hier gefunden? Und warum habt du und deine Schwester euch die ganzen Jahre
nichts von euch hören lassen?“
„Papa, warum wir uns
nicht gemeldet haben, ist schneller erzählt. Mutter hat uns einfach gesagt, du
seist ins Ausland gegangen und keiner wüßte, wohin. Wir waren ja noch nicht so
groß damals. Voriges Jahr ist Mutter gestorben, sie hatte Krebs. Zum Schluß
hat sie oft von dir geredet, aber es war wohl schon Phantasie. Beim Ordnen ihres
Nachlasses stießen wir auf Zahlungsbelege von dir, obwohl sie immer betont hat,
von dir nichts zu bekommen, eben weil du im Ausland bist. Da wurden wir
nachdenklich und begannen zu suchen. Meine Schwester bei Ämtern und Behörden,
ich durchstreifte alle Gegenden, wo sich Menschen ohne Wohnung aufhalten, denn
wir wußten mittlerweile, daß du keine Wohnung mehr hast. Aber wie jemanden
suchen, von dem man nicht weiß, wie er jetzt aussieht? Heute vormittag habe ich
einen Tip bekommen, daß du der Gesuchte sein könntest. Und obwohl wir zu Haus
großes Familienfest haben, weil alle Verwandten meines Mannes und auch meines
Schwagers da sind, hat es mir keine Ruhe gelassen, du könntest doch hier sein.
Ich hab alles stehenlassen und bin hergekommen, und - ich bin so glücklich, daß
ich es getan habe, denn ich hab dich endlich doch gefunden! Endlich! Nach der
langen Zeit! Aber - Papa, bitte, wirf deine Sackerl, was immer da drin ist,
gleich da in den Abfallkübel! Du kommst jetzt mit mir und brauchst das
nicht mehr! Dieser Abschnitt deines Lebens ist vorbei, endgültig, du bleibst jetzt
für immer bei uns! Komm schnell, komm, die Maria wartet zu Hause auf uns!“
Fröhliche Weihnacht überall
Schallt es durch der Lüfte
hoher Schall
Weil euch heute der
Heiland geboren ist!